Das Forschungsprojekt will an zwei Kernstücke der praktischen Philosophie Kants anknüpfen, nämlich die Menschheitsformel des Kategorischen Imperativs und die Idee der maximalen gleichen Freiheit der Personen, und diese für die Bearbeitung der gegenwärtigen Herausforderungen der Armut und des Klimawandels fruchtbar machen. Die Menschheitsformel Kants, die verlangt, dass wir andere nie nur als bloßes Mittel zu unseren Zwecken, sondern immer zugleich als Zweck an sich selbst behandeln sollen, wurde bislang vor allem als Instrumentalisierungsverbot interpretiert. Es ist aber auch zu klären, welche Aufgaben an uns erwachsen, wenn wir andere als Zweck an sich behandeln müssen. Dies ist nicht nur global in Bezug auf Menschen relevant, die in absoluter Armut leben (sie zu ignorieren instrumentalisiert sie nicht, dürfte aber ihrem Status als Zwecke an sich nicht gerecht werden) oder für den Umgang mit Zielkonflikten wie denen zwischen zukunftsgerichteter schneller Dekarbonisierung der Energiesysteme und der mehr gegenwartsbezogenen Bekämpfung der bestehenden Energiearmut, sondern auch für innergesellschaftliche Problemlagen wie den Ausschluss von der Teilhabe am sozialen Leben oder einen feindseligen Umgang miteinander oder mit Fremden. Zugleich ist die von Kant geltend gemachte „oberste einschränkende Bedingung“ unserer subjektiven Zwecke mit den größtmöglichen gleichen Freiheitsräumen zusammenzudenken. Dies eröffnet etwa Perspektiven für die Bewertung risikobehafteter Handlungen, die mit bloß möglichen Schädigungen anderer verbunden sind. Sind solche Handlungen primär von der Schädigungsseite oder von den Chancen oder Spielräumen her zu bewerten, die sie eröffnen? Schließlich gibt die Verbindung der beiden normativen Leitgesichtspunkte zu der Untersuchung Anlass, wie zwischen der Bewertung individueller Handlungen und den Erfordernissen institutioneller Regelungen zu unterscheiden ist.